Liebe Leserinnen, liebe Leser,

haben Sie sich schon einmal gefragt, wie Ihre Enkel oder Urenkel im Jahr 2130 auf das Jahr 2030 zurückschauen werden? Wird ihnen das Jahr 2030 genauso unreal, vergangen und zurückgeblieben vorkommen wie Ihnen selbst heute der Rückblick auf das Jahr 1930? Die meisten von uns haben nicht einmal mehr eine Vorstellung von jenem 1930, als normale, deutsche Stadtmenschen wie wir in verschlissenen, dreckigen Mietskasernen ohne Fernseher, ohne Telefone, ohne Autos, ohne Flugzeuge, ohne Urlaubsreise, dafür aber mit Horden gewalttätiger Kampftruppen von Faschisten und Kommunisten auf den Straßen lebten.

Die Wahrheit ist: Wir leben heute in einer großartigen Zeit. Aber auch in einer Zeit, in der die Möglichkeiten der Menschen noch so winzig und limitiert sind, verglichen damit, wie sie 2130 sein werden. In unserem alltäglichen Denken sind wir uns der Limitationen unseres Lebens gar nicht bewusst, weil wir ja mittendrin stecken. Unsere Enkel hingegen werden auf uns zurückblicken und sagen: „Seht wie unglaublich arm, krank und beschränkt die damals gelebt haben!“ Und falls das so wäre: Wie riesig müssten wir uns heute die Veränderungen der Welt nach 2030 erträumen, damit wir auch nur halbwegs in die Nähe jenes Jahres 2130 kämen, das unsere Enkel für völlig normal halten werden?

Selten waren die Chancen der Menschheit so groß, die Entwicklung unserer Spezies in gewaltigen Schritten voranzubringen. Noch nie zuvor hatte die Menschheit eine so realistische Chance, einige ihrer größten Probleme endgültig zu lösen. Diese Chance bekommen wir wohl in den kommenden 30 bis 50 Jahren durch Technologie, die uns die Chance geben wird, genügend künstliche Nahrungsmittel ernteunabhängig und klimaneutral herzustellen, damit jeder Mensch auf der Erde genug zu essen hat. Sie wird uns die Chance geben, in Wasserentsalzungsanlagen rund um den Globus genügend Trinkwasser herzustellen, damit jeder genug zu trinken hat. Und sie wird uns die Chance geben, so viel Energie durch Sonnenkollektoren in den Wüsten der Erde zu produzieren, dass jeder Mensch mehr als genügend davon hat.

Aber wir bekommen diese Chance nur, wenn wir zulassen, dass die Technologie unsere Limitationen des menschlichen Körpers an Intelligenz, Kraft und Moral überschreitet. Sie hat das Potenzial, die meisten heutigen existenziellen Risiken der Menschheit zu beseitigen, seien es Asteroideneinschläge, Vulkanausbrüche, Pandemien; seien es Krankheiten oder Kriege. Vermutlich wird sie uns auch vor neuen technologischen Risiken bewahren, die durch Nanotechnologien, Bioscience, neuropsychologische Manipulationen und Body-Enhancement auf uns zukommen. Technologie wird uns die Möglichkeit geben, das Klima zu retten, Hunger und Durst auf der Welt auszulöschen und jederzeit kostenlose Energie überall im Überfluss verfügbar zu haben. Falls wir dies zulassen, werden wir in einer anderen Welt leben.

Haben Sie eine Vorstellung, was das bedeutet? Die letzte große Prognose zu einem Leben in Energieüberfluss stammt aus „Raumschiff Enterprise“. Dort führt die ständige Verfügbarkeit von kostenloser Energie in beliebiger Menge dazu, dass es kein Geld mehr gibt, weil man nichts kaufen oder tauschen muss. Es ist ja jederzeit und kostenlos jene Energie da, mit der man alles produzieren kann. Wollen Sie das?

Falls Sie jetzt „Ja!“ sagen, fangen die interessanten Fragen gerade erst an: Sind wir sicher, dass der heutige real existierende Kapitalismus die geeignete Gesellschaftsform für die Zeit der Homo cyborgis ist? Immerhin konnten weder Adam Smith noch Karl Marx etwas von Superintelligenzen und der dadurch marginalisierten Bedeutung der menschlichen Arbeit wissen. Haben wir also neben den Klassikern des Kapitalismus, Sozialismus und Kommunismus noch weitere Ideen für die Form des Zusammenlebens auf der Erde? Wie soll eine menschliche Regierung regieren und eine gesellschaftliche Willensbildung erfolgen, wenn die Superintelligenz sowieso bessere Entscheidungen trifft? Welches Rechtssystem würde der Ära der Homo cyborgis entsprechen? Wie gewährleisten wir den Schutz der Individualität und der Minderheitenrechte, wenn zu jeder Frage permanent eine weltweite Volksabstimmung möglich ist? Wie bewahren wir das Recht der Menschen auf Überraschung, Spontanität und Unvernunft? Und nicht zuletzt: Wie organisieren wir das Sterben, wenn uns die Technologie die Möglichkeiten zum nahezu „ewigen Leben“ verschafft?

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass dies noch nicht alle grundsätzlichen Fragen sind, auf die wir im Jahr 2030 Antworten suchen werden. Wir haben bis dahin ja auch noch ein paar Jahre Zeit. Die meisten Fragen kennen wir einfach noch nicht. Und das ist auch gut so! Das Gegenteil wäre schlimm. Denn das würde bedeuten, dass es in den kommenden zehn Jahren keine Entwicklung geben würde. Das wird aber nicht der Fall sein. Und deshalb wird

auch nach wie vor die wichtigste Frage an die Zukunft sein: Wer übernimmt die Verantwortung?

Betrachten wir es weiterhin als finale und vielleicht schönste Botschaft, dass es immer noch an uns liegt, welche Richtung wir den kommenden Jahren bis 2030 geben und welche Zukunftsfragen wir uns im Jahr 2030 stellen werden!

Auf eine große Zukunft!


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